Die Entscheidung für das Leica M 75mm 1.4

von Mark Kujath

75mm 1.4 Summilux: Bei Leica gibt es ja verschiedene Objektiv-“Klassen”, in denen jeweils meist ein grosser Teil der Brennweiten abgedeckt wird. So gibt es zum Beispiel die Elmare, Summicrons und die Summilux Objektivreihe. Viele Objektive sind heute neu verfügbar, aber viele sind auch nur gebraucht erhältlich. Bei der Suche nach “meinem” Kamerasystem bin ich schon sehr schnell am Bildlook einiger Summiluxe hängen geblieben. Ganz abgesehen vom Leica M-Noctilux 50mm 0.95,  das einen unfassbar schönen Bildlook hat, jedoch leider nicht in meinen finanziellen Rahmen passt. Für “meinen Bildlook” war mir das Thema Bokeh besonders wichtig. Also die Art und Weise in der das Objektiv die unscharfen Bildbereiche darstellt. Das Thema Bokeh ist bei Leica-Objektiven immer etwas “schwierig”, was ich mir nur dadurch erklären kann, dass die Objektive durch den im Vergleich zu klassischen SLR-Kameras fehlenden Spiegelkasten sehr dicht am Sensor anliegen. Für mich wichtig bei der Wahl des Objektivs war also das Bokeh, das möglichst weich sein sollte, und damit verbunden die Möglichkeit der Freistellung von Menschen. Bei meinen Recherchen bin ich recht schnell auf die Objektive gestossen, die bereits in den frühen 1970er und 1980er Jahren von Walter Mendler für Leica entworfen worden sind. Zu diesen Objektiven gehören unter anderem die klassischen Summiluxe der Lichtstärke (35mm / 50mm / 75mm), aber auch das legendäre Noctilux 1.0/50mm. Das 50mm 1.0 und das 75mm 1.4 sind sich in der optischen Konstruktion angeblich recht ähnlich, was eine ähnliche Abbildungscharakteristik erklärt. Aufgrund ihrer Abbildungsleistung, der Freistellung und dem sahneweichen Bokeh entschied ich mich eigentlich schon für das 75mm 1.4 bevor ich mich für die Leica entschied.

Leica-M-75mm-1.4-Summilux+M240

Die Entscheidung für das Gesamtsystem

Wenn man sich für ein Kamerasystem entscheidet, dann entscheidet man sich ja nicht nur für eine Marke bzw. einen Hersteller, nicht nur für einen bestimmten Body, einen bestimmten Formfaktor, sondern für ein Gesamtsystem das zu der eigenen Art zu fotografieren passt. Massgeblich für ein Gesamtsystem sind die verfügbaren Objektive. Nun gibt es natürlich für nahezu jedes Kamerasystem heutzutage Objektive in allen erdenklichen Brennweiten, und auch optisch hochwertige Festbrennweiten, wie ich sie seit Jahren nutze. Jedoch kommt es bei einem Objektiv eben auch nicht nur auf die reinen technischen Werte an (Brennweite / Lichtstärke), sondern auch auf ein paar “weiche” Faktoren. Schärfe, Abbildungsleistung, Bokeh, Verhalten bei schwierigen Lichtsituationen wie Gegenlicht / Seitenlicht etc. – für andere vielleicht auch Stabilität, Wetterfestigkeit – oder das Preis/Leistungs-Verhältnis (ein Thema das ich lieber nicht diskutieren möchte – Leidenschaft ist ja schliesslich – fast – unbezahlbar).

Handling

Das Objektiv ist für ein Leica Objektiv relativ groß und schwer. Der Blendenring rastet spürbar clickend ein – das typische Leica-Gefühl. Der Focusring lässt sich weich aber für Leica relativ schwer verstellen. Des weiteren verfügt das Objektiv über eine eingebaute Gegenlichtblende, die man einfach vorschieben kann. Mein Objektiv (aus den 1980er Jahren) hat noch keine 6-bit Codierung, somit muss ich das Objektiv manuell einstellen an der Kamera.
Aufgrund der relativ langen Brennweite ist das 75mm 1.4 allerdings durch den recht geringen Schärfetiefenbereich an der M nicht ohne einen Aufstecksucher nutzbar. Die Abbildungsleistung der M ist mit 24MP zu hoch, die Bilder werden unscharf und der Messsucher ist nicht mehr präzise genug, um scharfzustellen. An der M9 ist dieser Effekt lange nicht so deutlich festzustellen. An der M halte ich den Aufstecksucher (und damit die Nutzung von LV) für unverzichtbar.

Abbildungsleistung

Nunja, ich möchte hier keinen Labortest machen, ich kann das auch gar nicht. Für meinen Bereich der Portraitfotografie ist die Abbildungsleistung genau so, wie ich sie haben möchte: sehr weiches Bokeh, kurze Schärfeebene.

Leica-M-75mm-1.4-SummiluxLeica-M-75mm-1.4-Summilux

Die Tücken des Objektivs sind seine Stärken: Optik

Gegenlicht und Lichteinfall von der Seite sind die Dinge, auf die das Objektiv extrem reagiert. Nun kann man sich darüber streiten, ob das ein Manko ist, oder nicht. Das hängt schlussendlich von dem Aufnahmegebiet und den eigenen Wünschen ab. Für mich ist es genau dieses Gegenlichtverhalten, was ich sehr sehr gerne zur Gestaltung nutze. Etwas Licht von oben, von hinten, oder fast frontal lässt über die Bilder einen Schleier fallen, den ich sehr mag. Man muss diesen allerdings zu steuern wissen, was einiges an Übung erfordert. Ein paar Beispielbilder die diesen wundervollen Effekt zeigen hier:

Die “günstige” Alternative:

das Leica Summilux R 1.4/80mm

Das R-Summilux 80mm 1.4 ist im Prinzip baugleich mit dem M-Summilux 75mm 1.4. Es ist gebraucht deutlich günstiger zu bekommen, als das M-Pendant. Mittels Adapter lässt sich das Summilux R an die Leica M adaptieren. Ein Scharfstellen ist dann allerdings nur mit Aufstecksucher bzw. Liveview möglich. Das ist allerdings auch für das M 75mm 1.4 notwendig um präzise focussierte Bilder zu erhalten. Somit geht die Budget-Empfehlung ganz klar an das 80mm Summilux R. “Schöner” ist das M allerdings allemal. Ob das den Aufpreis wert ist? Na auf jeden Fall!

Das Leica M 75mm 1.4 Summilux:

das ideale Portraitobjektiv?

Diese Frage kann man so einfach und erst recht generell nicht beantworten. Ich kann die Frage aber für mich beantworten: JA. FÜR MICH ist es definitiv das beste Portraitobjektiv und alleine schon Grund genug, sich mit dem Leica System zu beschäftigen.