Leica M10 + 50mm 1.4

Leica M10 + 50mm 1.4

Mit der Leica M10 und dem Summilux-M50 1:1.4 asph. in den USA – Falk Grundschok

 

Die Frage, mit welcher und wie viel Ausrüstung man auf Reisen gehen möchte, muss sich jeder Fotograf regelmäßig oder zumindest hin und wieder stellen. So stand ich vor kurzem vor der Frage, mit welcher Kamera und welchen Objektiven ich die Ostküste der USA bereisen und fotografieren möchte. Der erste Impuls -lieber mal alles einpacken- war im Hinblick auf die Aussicht, zahlreiche fotografische Ausrüstung einen Monat lang mit mir herumtragen zu müssen, schnell überwunden. Für mich stand recht bald fest, es würde nur eine Kamera mit einer sehr begrenzten Anzahl an Objektiven mit auf Reise gehen. Dabei gab die große -gleichzeitig aber auch immer noch kindliche – Freude daran, mit einer überwiegend mechanischen Kamera zu fotografieren, für mich dann den Ausschlag, ausschließlich mit der M10 zu verreisen. Sicherlich würde es zahlreiche Situationen geben, wo ich mir einen Autofokus herbeiwünschen würde und sicherlich würde ich das eine oder andere auch Motiv verpassen. Die Befriedigung aber, wenn mir ein Bild gelingt und ich sagen könnte, dass ich es eingefangen habe und nicht die Kamera, war mir wichtiger. Auf langbrennweitige Zooms würde ich dann ebenfalls verzichten müssen. Meine große fotografische Liebe ist aber eher die Dokumentation eines natürlichen Bildeindrucks, deshalb habe ich eine Vorliebe für Festbrennweiten im Bereich zwischen 35mm und 50mm entwickelt.

Die Auswahl

Zur Auswahl hatte ich das Zeiss 50mm C-Sonnar sowie das dazugehörige Planar F/2, sowie die Voigtländer Nokton 40mm F/1.2 asph. und Nokton 50mm F/1.5 asph. Von Leica kamen das APO-Summicron 50mm 2.0 sowie das Summilux-M 50mm 1.4 asph.  in Betracht. Letzteres wurde mir freundlicherweise von Alexander Görlitz (Inhaber von FOTO-GÖRLITZ) zur Verfügung gestellt. 

Die beiden Zeiss Linsen schieden als erste aus. Für Beide sprach zwar ihr etwas großzügigerer Bildwinkel (vielleicht um die 45 – 46mm Brennweite), allerdings leidet das C-Sonnar unter einem deutlichen Lens-Shift Effekt, der die Arbeit mit dem Messsucher unnötig erschwert und die Abbildungsleistung zwischen Offenblende und Blende F/2.8 bleibt aufgrund der historischen Konstruktion (L.Bertele, 1929) hinter den Möglichkeiten heutiger Linsen zurück. Dazu kommt die ungünstige Naheinstellgrenze von rund einem Meter, die formatfüllende Portraits verhindert. 

Leica M10 + 50mm 1.4

Tribeca bei Nacht. Wie viele Trends kommt auch das Fixiefahren aus Amerika

Das Planar kommt hier etwas besser weg, sowohl der Fokus wie auch die Abbildungsleistung sind ohne Fehl und Tadel. Die Farben sind zudem klassisch kühl, das Rendering ist aber nicht so dreidimensional und prägnant wie bei einem Summicron. Insgesamt passt dieses Objektiv aber ganz gut zu den Möglichkeiten, welche die M10 bietet. 

Die beiden Voigtländer Objektive sind rundweg moderne, asphärische Konstruktionen, die vom Bildeindruck recht nah an die Wetzlarer Optiken heran reichen. Das 40mm Nokton ist dabei  überragend lichtstark und auch offenblendig in der Mitte schon sehr plastisch und definiert. Nachteil dieses Objektivs, dass mit EVF oder LiveView schon ab 50cm Abstand benutzt werden kann, ist jedoch das unruhige Bokeh bei Offenblende. Dies macht den Vorteil der Lichtstärke leider wieder zunichte. Wer im Bereich der Naheinstellgrenze fotografieren möchte, sollte bis F/2.8 abblenden. Für formatfüllende Portraits aus nächster Nähe, zumal bei wenig Licht, ist es daher nicht die ideale Wahl. 

Von den bisher erwähnten Optiken kommt das Voigtländer Nokton 50mm F/1.5 asph am besten an die Leistung der beiden Wetzlarer Objektive heran. Es ist ausgesprochen kontraststark und dreidimensional in der Abbildung und vom Bokeh dem Summilux bereits sehr ähnlich. Es erzeugt aber nicht ganz dessen Aura, wenn man mit komplett offener Blende fotografiert. Gleichwohl ist es von den Fremdfabrikaten klar das beste Objektiv. Vielleicht nicht ganz unwichtig: es hat auch keinen Fokustab. Mir ist dieser kleine Helfer -beide Leica Objektive sind damit ausgestattet- auf der Straße sehr lieb geworden. Ich weiß dadurch ungefähr wo ich mit meiner Schärfebene gerade bin und kann dadurch einen Tick schneller fokussieren. 

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Ein privater Segler fährt stromaufwärts Richtung Hudson. Im Hintergrund die Südspitze Manhattans

Die Leica Objektive

Zwischen den beiden Leica Objektiven eine Entscheidung zu treffen, ist mir am Ende relativ leicht gefallen. Das 50mm 2.0 APO ist in jeder Hinsicht beeindruckend. Es bildet durch den kompletten Blendenbereich hindurch exzellent ab. Es gibt nichts zu korrigieren, den Schärferegler ziehe ich in der Postproduction ausschließlich in Richtung „weich“. Außerdem hat es eine Durchzeichnung/Mikrokontrast, die mir den Eindruck verschafft, ich würde mit einer Mittelformatkamera fotografieren. Allerdings hat selbst das 50m APO-Summicron nicht das schmeichelhafteste Bokeh, wenn man offenblendig im Bereich um die Naheinstellgrenze herum fotografiert. Zugegebenermaßen bin ich etwas manisch darauf fixiert, auch bei hellem Tageslicht mit möglichst offener Blende zu fotografieren – auch wenn ich dabei zwangsläufig einige Bilder nicht exakt so einfange, wie ich es mir wünsche. Deshalb hatte das Summilux bereits vor meinem abschließendem Lichtstärkenversuch einen kleinen Vorteil.

Leica M10 + 50mm 1.4

Ein nicht ganz so freundlicher Zeitgenosse nachts in Manhattan. Immerhin durfte ich Kamera und Leben behalten

Die effektive Lichtstärke

Da ich sehr viel nachts und mit available light fotografiere, ist die tatsächliche, also effektive Lichtstärke für mich sehr wichtig. Die Blendenzahl ist bekanntlich nur eine Verhältniszahl und sagt daher nichts darüber aus, wie viel Licht bei Vergleichsbedingungen tatsächlich eingefangen und auf den Sensor geleitet wird. Leider schweigen sich sämtliche Tests hierüber aus, obgleich diese Frage im Labor sehr leicht untersucht werden könnte. Ich habe daher mit den beiden Voigtländern und den beiden Leicas einen kleinen Versuchsaufbau ausprobiert. 

Zunächst habe ich mit fest eingestellter ISO, Offenblende und fester Belichtungszeit ausprobiert, welche Linse unter vergleichbaren Bedingungen (Studiolicht, Stativ und Fokus auf unendlich) das hellste Bild abliefert. Über das Histogramm in LR kann man diese Entscheidung m.E. recht verlässlich treffen. (Die Objektiverkennung habe ich an der Kamera überklebt, damit Leica nicht schummeln kann. Denn trotz abgeschalteter Erkennung an der Kamera weiß LR aus den EXIFs, welches Objektiv ich verwendet habe. Die M10 liest diese Information also auf jeden Fall aus. Was sie sonst noch heimlich damit macht, weiß ich nicht.)

Bei vollkommen geöffneter Blende (F/1.2) ist das Voigtländer Nokton 40mm. asph leicht vorne. Das ist zunächst keine große Überraschung, schließlich hat die Linse mindestens eine halbe Blendenstufe mehr zur Verfügung als der Rest. Diesen Vorsprung setzt das Objektiv auch um. Dahinter kommen das 50mm 1.4 Summilux und das Voigtländer 50mm 1.5 Nokton. Dabei ist mir aufgefallen, dass das weit geöffnete 40mm 1.2 Nokton einen größeren Tiefenschärfebereich abbildet, als das Leica M 50mm 1.4. Das bedeutet, dass mit dem Leica M 50mm 1.4 trotz kleinerer Anfangsblende mehr Freistellung möglich ist. Hier wirken sich die 10mm mehr Brennweite gut erkennbar aus. Bei voll geöffneter Blende liefert das Summilux ein sehr dreidimensionales Bild. Das Nokton 50mm F1.5 asph. hat dagegen einen erkennbar größeren Bildwinkel. Mir ist bei Lektüre verschiedener Bücher bereits mehrmals begegnet, dass Leica 50mm Linsen tatsächlich 52mm Brennweite haben. Ich kann jedenfalls einen deutlichen Unterschied im Bildwinkel erkennen.

Leica M10 + 50mm 1.4

Der Woolworth-Tower am Broadway. Das Leben vibriert Tag und Nacht

Test bei Blende 2.0

Der zweite Durchgang bezog alle Objektive bei Blende F2 ein. Im Übrigen blieb der Versuch unverändert. Das Nokton 40mm F1.2 und das Summilux liegen nun im Histogramm auf gleicher Höhe. Die Trennung der einzelnen Farben war allerdings beim Summilux besser. Dabei muss zudem noch berücksichtigt werden, dass das Summilux mit mehr Brennweite und deutlich kleinerem Linsendurchmesser eigentlich mit den schlechteren Anfangsvoraussetzungen zum Vergleich antrat. Meines Erachtens muss man deshalb dem Summilux hier den Vorzug geben – bei engerem Bildwinkel lässt es offenbar mehr Licht durch und durchzeichnet das Bild auch besser. Dahinter kommt das Nokton 50mm F 1.5 und das Schlusslicht ist das Leica M 50mm 2.0 APO. Zur Verteidigung des APOs muss ich allerdings anführen, dass die Bildqualität hier aus einer anderen Welt ist. Die Durchzeichnung ist von links oben nach rechts unten makellos und subjektiv auf Mittelformatniveau. Die Details, der Mikrokontrast und die Farben sind atemberaubend. Meine vorherige, sehr subjektive Erfahrung, dass APO 50mm 2.0 hauptsächlich unter kontrollierten Studiobedingungen einzusetzen, habe ich damit unbeabsichtigt bestätigt. Unter available light Bedingungen ist es dem Leica M 50mm 1.4 klar unterlegen, weil es unweigerlich nach mehr Belichtungszeit oder höherer ISO-Empfindlichkeit ruft.  

Leica M10 + 50mm 1.4

New York schimmert in blau, grau und grün

Der dritte Durchgang war eine Gegenprobe. Bei zentrierter Belichtungskorrektur und festem ISO-Wert habe ich erneut die beiden lichtstärksten Objektive gegeneinander antreten lassen und diesmal -wie unter realen Bedingungen- die Kamera die Belichtungszeit bestimmen lassen. Beide Objektive auf F/1.4 eingestellt, hat die Kamera bei gleicher Belichtungsmessmethode jeweils die gleiche Belichtungszeit errechnet. Wie erwähnt liefert das Summilux unter diesen Bedingungen die beste Bildqualität. Damit stand die „Königin der Nacht“ für mich fest. 

Bevor jetzt jemand hüstelt und auf die Noctiluxe verschiedener Epochen hinweist, möchte ich kurz zwei Sätze zu diesen Linsen verlieren. Aus eigener Erfahrung kenne ich nur das aktuelle F/0.95 und dessen Vorgänger mit F/1.0. Der Charme dieser Linsen besteht m.E. mehr aus ihrer sehr speziellen Signatur, als aus ihrer reinen Lichtstärke. Bei Tageslicht sind beide Linsen super beherrschbar. Wer aber mit 50mm Brennweite bei Nacht schon einmal im Bereich der Naheinstellgrenze fotografiert hat weiß, dass dies ein ziemliches Glückspiel ist. Für architekturbetonte Straßenaufnahmen mit Fokus auf unendlich sind beide Linsen ausgezeichnet und allen hier betrachteten Objektiven überlegen. Allerdings sind sie sehr groß, schwer und damit leider auch sehr auffällig. Das Summilux ist dagegen ungefähr so groß wie eine durchschnittliche MFT-Linse. 

Das M 50mm 1.4 asph. Summilux

Nachdem die Entscheidung für mich hiermit gefallen war, schreibe ich von nun an nur noch über das Leica M 50m 1.4 asph. Summilux. Grundlage hierfür sind meine Erfahrungen aus meiner Zeit in den USA. In völlig unterschiedlichen Situationen habe ich dort über 3300 Bilder -ausschließlich mit dem Leica M 50mm 1.4 Summilux- gemacht.

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Harte Gegensätze sind im Financial District Alltag

Die 50mm Brennweite wirken natürlich und je nach Entfernung und Bildkomposition sogar intim. Mit dieser Brennweite bin ich sprichwörtlich mitten im Geschehen. Alles wirkt konzentrierter als mit 35mm Brennweite, weil bei gleicher Fotografiertechnik weniger Hintergrund mit abgebildet wird. Im Übrigen halte ich es für sehr wichtig für die Entwicklung einer eigenen Bildsprache, sich auf einen bestimmten Bildwinkel zu konzentrieren. Die meisten M-Fotografen dürften ein Faible für 35mm oder 50mm Brennweite haben. Bei mir ist es seit jeher das 50mm Objektiv.

Größe, Form, Gewicht

Von der Größe sticht das Summilux nicht aus dem Kreis der Konkurrenten heraus. Tendeziell sind Leica Objektive eher lang und schlank, weil Objektive mit kleineren Linsendurchmessern leichter zu korrigieren sind als kurze Objektive mit großen Linsendurchmessern. Außerdem sind viele Objektive Doppel-Gauß Rechnungen oder Abwandlungen hiervon. Für mich war entscheidend, dass mein „Reiseimmerdrauf“ im montierten Zustand mit der Kamera in meine sehr kleine Standardtasche passen würde. Tatsächlich ist das Summilux aufgrund der Leica typischen Proportionen sogar das längste meiner getesteten Objektive, passt aber immernoch problemlos in meine kleinste Tasche (Thinktank Mirrorless Mover 10). Ich bin übrigens jedes mal wieder begeistert wenn ich daran denke, für welche Kameras diese Tasche eigentlich gedacht ist. Der offiziellen Beschreibung folgend ist die Tasche am besten für MFT-Kameras und kleine spiegellose Modelle geeignet. Der Gedanke, dass ich darin eine Vollformatkamera mit den besten Objektiven der Welt darin unterbringen kann amüsiert mich jedesmal wieder aufs Neue. 

Leica M10 + 50mm 1.4

Ein sehr zugänglicher Zeitgenosse in Soho

Rein ästhetisch betrachtet ist es wohl das schönste aller Objektive an der M10, weil es vollkommen gleichmäßig zylindrisch ist und damit die Kombination aus M10 und Summilux wie ein Musterbeispiel für Bauhausdesign wirken lässt. Mit diesem schlichten wie schlanken Objektiv wirkt die Leica selbst zum Anzug wie ein Accessoire, nicht wie ein Fremdkörper. Das klingt vielleicht etwas sehr „urban“ oder „hip“, ist für mich aber keine Nebensächlichkeit. Die Kamera darf m.E. nicht wie ein Fremdkörper an mir wirken oder gar rechtfertigungsbedürftig aussehen. (Mit einer Vollformat DSLR fällt man garantiert nirgendwo positiv auf.) Gegen Ende meiner Amerikareise wurde ich von Freunden in Saratoga (Upstate New York) zu einem Pferderennen eingeladen. Auf einer solchen Veranstaltung -es ist jede Menge high society anwesend- wird man mit einer dicken DSLR sehr kritisch bis argwöhnisch beäugt. Einzig die Pressefotografen, die aber keinen Zugang zu Clubhousetribüne bekommen, werden mit ihren riesigen Zoomobjektiven im Start- und Zielbereich geduldet. Aber auch im Bereich der normalen Streetfotografie würde ich den Formfaktor „Leica+Objektiv“ nicht unterschätzen. Je weniger invasiv und aufdringlich ich durch meine Technik erscheine, desto leichter komme ich mit meinen Mitmenschen auf einer freundschaftlichen, unverfänglichen Basis in Kontakt. Ob ich dabei ein Summicron (E39) oder Summilux (E46)  an der Kamera habe, macht meiner Erfahrung nach keinen Unterscheid. Ein Noctilux hingegen sieht für den Laien schon wieder nach „viel Brennweite“ und damit nach Voyeur aus. 

Gegenlichtblende

Die Gegenlichtblende ist konstruktionsbedingt immer montiert. Von deren Funktion bin ich nicht übermäßig begeistert. Ich freue mich, dass ich sie unverlierbar immer dabei habe und dass sie kein Extraplatz in der Tasche wegnimmt. Auf der anderen Seite habe ich nachts bereits mehrfach festgestellt, dass in bestimmten Winkeln z.B. schräg unter einer Laterne durchaus flare in der Linse auftreten kann. Dies zu verhindern, wäre eigentlich Aufgabe der GeLi. Der Winkel in dem dieser Effekt auftritt, ist zum Glück sehr eng, so dass sich dieses Problem leicht durch geringe Änderungen der Bildkomposition umgehen lässt. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man mit EVF oder LiveView fotografiert. Andernfalls gibt es später eine kleine Überraschung. Außerdem ist das Ausziehen fummelig und die Verriegelung unsicher. Mir ist es unterwegs ein paar mal passiert, dass sich die GeLi gelöst hatte und dann schief saß oder einfach wieder eingefahren war. Man kann hier schön sehen, dass das SLX eine Art Machbarkeitsstudie für das APO-SCR war. (Die Berechnung für das APO-SCR stammt von Dr. Peter Karbe und ist von 1997. Das SLX mit asph und FLE stammt von 2004. Das APO SCR kam erst zehn Jahre später auf den Markt und hat das Problem mit der GeLi viel besser gelöst.)

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Ein Straßenmusiker an der Highline. Er liebt seine Musik

Kurzum, das Summilux komplimentiert auf elegante Art und Weise die Form der M10. Die Größe lässt für den Laien nicht den Schluss auf viel Brennweite oder Lichtstärke zu. Vom Gewicht liegt das Summilux im Mittelfeld (335gr). Aufgrund der massiven Bauweise der M10 lässt sich nur mit dem 40mm Nokton oder einem 50mm Noctilux an der Kamera eine deutliche Kopflastigkeit feststellen. Alle anderen Linsen liegen zwischen ungefähr 250gr und 340gr. Das SLX ist übrigens eines der wenigen Objektive, die auch noch komplett in Messing gefertigt werden. Wem das schwarze M 50mm 1.4 asph. Summilux zu leicht ist, kauft sich einfach die silberne Ausführung, die ist komplett aus Messing und wiegt unglaubliche 460gr. Das Gefühl, dieses Objektiv in der Hand zu haben ist absolut beeindruckend. An der Kamera ist mir die Messingversion aber viel zu schwer.

Bildeindruck

Nun zum wichtigsten Feature, dem Bildeindruck. Ich habe vor dieser reisebedingten Umstellung hauptsächlich mit Leica Summicrons (SCR) fotografiert. Sowohl das normale 50mm SCR wie das APO-SCR bilden maximal plastisch, mit hohem Kontrast und Mikrokontrast -beim APO-SCR bis in die Ecken- und sehr kräftigen Farben ab. Das Gefühl, dass Menschen in der Schärfebene förmlich ausgestanzt sind, hat mich von Beginn an fasziniert. Ebenso die harten Kontraste, die ich gerne noch durch schwarz/weiß Konvertierung verstärkt habe. 

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Die amerikanischen Farben vor berühmten Hintergrund

Meine erster Eindruck mit dem M 50mm 1.4 asph. Summilux war deshalb ein richtiges Wow-Erlebnis. Das SLX macht so gesehen fast alles anders. Meine ersten Assoziationen hierzu waren „künstlerisch“, „malerisch“ oder auch „verträumt“. Nich so esoterisch wie die Noctiluxe, aber doch weicher und sanfter als die SCRs.

Ganz offen bildet das M 50mm 1.4 asph. Summilux um Menschen herum eine Art Aura ab. Das absolute Bildzentrum ist sehr hell, der Kontrastumfang erkennbar reduziert. Außerhalb dieses Zentrums ist der volle Kontrastumfang vorhanden. Das Bild wirkt außerhalb des Zentrums auch lebhafter sowie auch farbiger und mit mehr Mikrokontrast. Natürliche Vignettierung ist vorhanden und gut erkennbar, entwickelt sich aber sehr weich zum Bildrand hin. Da ich natürtliche Vignettierung sehr mag, bin ich über diese Eigenschaft sehr glücklich und meine Objektiverkennung ist dauerhaft abgeschaltet. Ich könnte die Vignette über LR kaum so schön einfügen. 

Die Abbildung ist gleichwohl scharf. Aber durch die sehr helle Abbildung im Bildzentrum wirkt das Bild sehr künstlerisch, verträumt. Die Farben sind alle leicht pastellartig, leicht metallisch und leuchten sehr schön. Die Sättigung ist deutlich schwächer als beim SCR. 

Der Übergang in die Unschärfe ist sehr weich. Die Bilder sind sehr dreidimensional, die Fokusebene aber nicht ausgestanzt. Das Bokeh selbst ist ein einziger Traum. Wie leichter Bodennebel am morgen. Man kann nicht hindurchsehen, er blockiert die Sicht, man kann ihn aber auch nicht greifen. Ich kenne kein anderes Objektiv, dass diesen Übergang so weich zeichnet. (..auch das Noctilux nicht.) Vor allem bei Portraits ist dies ein einziger Traum. Wer gerne mit punktförmigen Lichtquellen im Hintergrund fotografiert, wird aber kritisieren, dass diese bei asphärischen Linsen nicht ganz rund sind. Mir sind die allgemeinen, ständig vorhandenen Eigenschaften des Bokehs aber wichtiger.

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Bill zählt seine Tageseinnahmen

Wenn man das M 50mm 1.4 asph. Summilux um eine halbe Stufe (F1.7) abblendet, passiert etwas ganz erstaunliches. Im absoluten Bildzentrum steigt der Kontrastumfang schlagartig an. Das restliche Bild bleibt weitestegehend unverändert. Zugegeben -je nach Motiv- lässt auch die Vignetierung etwas nach. Die Helligkeit im Gesamtbild bleibt aber unverändert. Das Fantastische dabei ist, dass die Belichtungsmessung diese kleine Reduzierung der Lichtmenge nicht bemerkt. Das heißt, meine ISO-Werte oder Belichtungszeiten ändern sicht nicht. Das Bild wird auch nicht sichtlich dunkler – außer im absoluten Bildzentrum. Man kann diese Veränderung über den LiveView Modus schön nachvollziehen – sowohl mit der M10 als auch mit der M10-P. Es liegt also nicht an der Kamera.

Für mich bedeutet diese Eigenart des M 50mm 1.4 asph. Summilux, dass meine maximale Arbeitsblende nachts dauerhaft F/1.7 ist. Ganz aufzublenden bringt mir keinen Lichtgewinn mehr, da die Kamera keinen Unterschied messen kann und das Bild im Übrigen gleich hell belichtet ist. Die volle Offenblende lohnt sich deshalb für mich nur, wenn ich im Bereich der Naheinstellgrenze ein sehr künstlerisches Portrait machen möchte. Auf der Straße nehme ich lieber die F1.7, mit der ich gleichzeitig ein wenig mehr Tiefenschärfe im Bild habe. Das Freistellungspotential ist dabei immernoch gigantisch.

Ab Blende F2 wirkt das Bild komplett. Die Schärfe steigt noch mal an, die Vignettierung geht zurück. Im Wesentlichen ändert sich ab hier der Bildeindruck nicht mehr. Ich brauche die kleineren Blenden nur, um bei schnellen Bewegungen (siehe Pferderennen, mit F5.6 fotografiert) nicht out of focus zu sein. Bei Tageslichtportraits auf der Straße, wo mein Motiv nicht zwingend still hält, nehme ich ganz gerne Blende F/2.8, ansonsten Blende F/4. 

Bis ungefähr F/5.6 hat man -fokussiert auf ~10 Meter Entfernung- noch ein wenig Unschärfe im Hintergrund übrig. Weiter abgeblendet ist eben alles scharf. Für mich ist „alles scharf“ allerdings kein wünschenswerter Zustand, da hierdurch Plastizität verloren geht. 

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Und wieder schimmert NYC in blau und grün

Wie jeder M-Fotograf benutze ich gerne Fokusfallen. Wie die meisten M-Fotografen versuche ich dabei stets, möglichst offenblendig zu fotografieren. Die Wahl meiner konkreten Arbeitsblende bildet deshalb den jeweiligen Fokussierfehler ab, den ich mir in einer bestimmten Situation zutraue oder zumuten möchte. Beim M 50mm 1.4 asph. Summilux spielt das Leben deshalb immer zwischen F1.7 und F5.6. Blende F8 oder F11 nutze ich nur, falls in der Landschaft alles scharf sein soll –  und für Landschaften gibt es eigentlich andere Linsen. 

Apropos Fokus

Der Fokusring beim M 50mm 1.4 asph. Summilux geht bauartbedingt etwas strammer als bei den meisten anderen Objektiven. Da bei diesem Objektiv neben der Fokusgruppe auch noch ein Floating Element bewegt werden muss, wurde hier ein doppelter Helicoid verbaut. (Der übrigens im APO-SCR auch verbaut ist, dort aber viel besser fokussiert funktionert.) Ich habe verschiedene SLX-Modelle ausprobiert. Mein Exemplar geht leider etwas stramm und hat ein leichtes Losbrechmoment. Dafür sitzt der Fokus bei meinem Exemplar auch über den Messucher im Nahbereich auf den Milimeter genau. 

Dazu vielleicht ein Wort der Erläuterung. Die Genauigkeit der Fokussierung hängt beim M-System vom Objektiv ab. Wer also absolute Präzision verlangt, muss die Linse im Regelfall an die Kamera anpassen lassen. Der Leica Service macht dies gern, verlangt aber ordentlich viel Geld dafür. Auf meinen Kameras (M10/M10-P) ist die 1.4fach vergrößernde Lupe drauf, um mehr vom Schnittbild sehen zu können. Gleichwohl habe ich spätestens ab der Dämmerung den EVF drauf, der dieses Problem zuverlässig löst. 

Fokusshift habe ich keinen festgestellt, wenn ich mal daneben lag, hatte sich meistens Motiv unvorhergehen bewegt oder ich war bei der Blendenöffnung zu risikofreudig. 

Leica M10 + 50mm 1.4

Are you asking for trouble, man?

Resümee

Während das SCR oder APO-SCR das ideale Reportageobjektiv ist, dabei aber unbestechlich und wenig schmeichelhaft wirkt, ist das M 50mm 1.4 Summilux der künstlerische Gegenentwurf. Es ist die beste  „Menschenlinse“, die ich bisher erlebt habe. Aus meiner Sicht ist es das ideale Objektiv, um Menschen abzubilden ohne sie dabei zu analysieren. Es fängt sehr viel Atmosphäre ein, ohne wie etwa das Thambar auf dieses Metier festgelegt zu sein. Ich konnte sehr viele Szenen auf den Straßen einfangen, teilweise auch architektonische oder abstrakte Bilder machen. Am ehesten hat mir ab und zu ein 35mm Bildwinkel gefehelt. Die Wolkenkratzer haben nicht immer aufs Bild gepasst. 

Leica M10 + 50mm 1.4

Love sees no color

Ich kann aber trotzdem sagen, das Leica M 50mm 1.4 asph. Summilux hat meine Art zu fotografieren verändert. Statt mit hartem Kontrast und sehr dunkel (passt gut zum SCR) zu fotografieren, habe ich jetzt große Freude an den feinen Farbabstufungen, den insgesamt weicheren Farben und dem Traumbokeh. In der Sprache eines Histogramms gesprochen, findet die Party jetzt in der Mitte der Skala statt. Ich muss den Schärferegler in LR nun auch nicht mehr in Richtung „weich“ ziehen. Die Abbildungsleistung des Leica M 50mm 1.4 asph. Summilux ist für Menschen genau richtig und durch die Asphären auch bereits bei offener Blende ansprechend. Die Offenblende ist bei Nacht voll nutzbar und keine Renommierblende. Dank Floating Element steht die volle Leistung auch im Nahbereich zur Verfügung steht. Kurzum: Ein rundum gelungenes Objektiv, dass für mich das ideale Immerdrauf darstellt. 

Copyright: Falk Grundschok, insta: citynightman