Leica M10-P

Falk Grundschok – Warum die Leica M10-P?

Die Leica M10-P (Herstellerseite) ist seit dem 21.08.19 auf dem Markt.

Wenn Leica eine Neuigkeit ankündigt und schließlich ausliefert, gibt es regelmäßig zwei Lager, in welche sich die Mehrheit der Reaktionen aufteilen lässt. Das eine Lager ist bereits von der Ankündigung einer Produktneuheit euphorisch begeistert und aktualisiert sofort nach Verfügbarkeit seinen Warenkorb in Leicas online-shop. Das andere Lager schüttelt ungläubig den Kopf darüber, dass es Leica offenbar wieder gelungen ist, für weniger Features mehr Geld zu verlangen. 

Möglicherweise lässt sich ja die Gruppenzugehörigkeit sogar direkt mit dem jeweiligen Jahresgehalt korrelieren, aber darüber möchte ich hier nicht spekulieren. Ich fühle ich mich keiner dieser Gruppen zugehörig, vom Jahresgehalt her gehöre ich aber ganz sicher nicht zur ersten Gruppe. Für mich ist Leica Technik subjektiv sehr teuer. Warum ich trotzdem noch am Tag des Erscheinens, und damit wohl deutlich vor den meisten Händlern, meine eigene M10-P in den Händen hielt, möchte ich für all diejenigen darlegen, die sich mit der Frage „M10 oder lieber die M10-P?“ herum tragen.

Was kann die Leica M10-P besser als die Leica M10?

Dies wird also kein komplettes Review der Leica M10-P; mit M-Technik und insbesondere der M10 sollte man also bereits vertraut sein. Mein eigener Erfahrungsschatz beläuft sich im Augenblick auf etwa 500 Bilder, die ich mit der Leica M10-P in vergleichbaren Umständen gemacht habe (meine M10 hat >6500 Auslösungen). Bisher habe ich mit der Leica M10-P nur auf der Straße fotografiert, Studioerfahrungen habe ich also noch keine gemacht. 

Der leise Verschluss

Ich werde deshalb nur auf die Hauptänderungen zur M10 eingehen. Als allererstes ist deshalb natürlich der Verschluss zu nennen. Für mich übrigens der Hauptgrund, der Leica M10-P meine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Ich hatte an der M10 insgesamt wenig auszusetzen, allerdings empfand ich den Verschluss regelmäßig als störend laut. Zum Beispiel in meiner Kirchengemeinde, wo ich regelmäßig versuche, interessante Lichtsituationen im Gottesdienst zu dokumentieren. Um meine Brüder und Schwestern möglichst wenig zu stören, habe ich immer versucht, möglichst während der Orgelspiele auszulösen. Natürlich klappte das nicht immer und dementsprechend schuldig fühlte ich mich häufig.

Kirchenszene Leica M10-P

Eine andere Gelegenheit, an die ich mich gut erinnere, war das American Football Training an einer High School in West Virginia. Der Trainerstab hatte die Spieler im Kraftraum zusammengerufen um sie auf die neue Saison einzustellen und die Jungs hingen ihren Trainern an den Lippen. Die Lautstärke, mit welcher die Wände das Verschlussgeräusch reflektierten, ist mir in lebhafter Erinnerung. Die Spieler und Trainer haben sich erfreulicherweise nichts anmerken lassen. Das ist in  Amerika eine Art Erziehungsfrage. 

Sportler Leica M10-P

Mit der Leica M10-P hingegen kann ich mich selbst in ruhigen Umgebungen sehr nah an meine Motive annähern ohne mich bereits vorher schuldig zu fühlen, weil ich gleich stören werde. Für mich als Fotograf ist das ein großer Zugewinn an Freiheit. Abgesehen von der reinen Lautstärke finde ich den Klang auch viel angenehmer. Satt, gedämpft und weich. Das Ohr fotografiert bei mir quasi mit. 

Straßenmusiker Leica M10-P

Technisch gesehen handelt es sich aber nicht um einen neuen Verschluss. Deshalb fehlt auch die Möglichkeit, mit 1/8000 sek. zu belichten. Aus Gesprächen mit anderen M-Nutzern weiß ich, dass viele hierauf gewartet hatten, um die sehr lichtstarken Leica Summiluxe auch tagsüber offenblendig nutzen zu können.

weniger Erschütterung beim Auslösen

Abgesehen hiervon hat sich noch eine Kleinigkeit geändert, die bisher wenig beworben wurde. Der Verschluss der M10 war mir auch viel zu hart in der Auslösung. Insbesondere  nachts, wenn ich freihändig meine Belichtungszeiten ausreizen muss, hat mich der harte Auslösewiderstand der M10 nicht überzeugt. Vor allem nicht, weil ich keine technische Notwendigkeit hierfür erkennen kann. Zu analogen Zeiten hat Leica ja mal damit geworben, sehr weiche und damit erschütterungsfreie Auslösemechanismen zu konstruieren. Also warum jetzt knallhart? Tatsächlich ist mir im direkten Vergleich aufgefallen, dass der Auslöser der Leica M10-P weicher und mit weniger Kraft auszulösen ist. Zunächst dachte ich, ich sei der Serienstreuung auf den Leim gegangen, bis man mir beim Händler erklärte, dass dies tatsächlich Absicht sei. In Kombination der beiden Effekte, kann ich nachts nun teilweise 1/8 sek. belichten, ohne die Aufnahme durch Verschluss und Auslösung zu verwackeln.  An dieser Stelle möchte ich trotzdem noch mal darauf hinweisen, dass es technisch möglich sein sollte, einen weicheren Auslöser zu konstruieren – nur, falls dies ein Mitarbeiter aus Wetzlar liest. 

Touchscreen

Das Touchscreen stand nicht ganz oben auf meiner Wunschliste, ist mir aber sehr willkommen. Es gab bisher genau eine Situation, wo es mir ständig fehlte. Beim Kontrollieren der Bilder. Das Aufrufen der Bilder hat sich nicht grundsätzlich verändert. Auch das hinein zoomen über das Daumenrad hat mich nicht gestört. Das anschließende Anfahren der äußeren Bildbereiche über das Steuerkreuz hat mich allerdings immer Nerven gekostet, weil es sehr viel Zeit kostete. Das geht mit dem Touchscreen nun  viel leichter. Ein doppelter Tipp auf die gewünschte Stelle und sie wird vergrößert angezeigt. Das Blättern in den Aufnahmen geht m.E. über die Steuertasten immer noch besser als mit Wischgesten. 

An dieser Stelle noch ein Verbesserungstip für die nächste Firmware: Wenn ich beim Fokussieren mit dem Liveview die Vergrößerung meines Bildes über das Daumenrad vorwählen kann, möchte ich das beim zoomen -also mit der Doppeltippgeste- vielleicht auch können. Nur so eine Idee.

Blitzschuh

Ganz zum Schluss noch eine Kleinigkeit, die mir sehr positiv aufgefallen ist. Der Blitzschuh ist nach meinem Eindruck auch verändert worden -hoffentlich handelt es sich nicht um Serienstreuung- und meine Daumenstütze sowie der Visoflex halten deutlich besser auf der Kamera. Das ist durchaus wichtig für mich. Zum einen habe ich spätestens ab der Dämmerung den Visoflex immer auf meiner Kamera, zum anderen habe ich meinen Visoflex auch schon einmal 20 Minuten lang auf einem Parkplatz vor dem Air Force Museum in North Carolina gesucht. Er war im Eifer des Gefechts einfach unbemerkt von der Kamera gerutscht und erst kurz bevor ich aufgeben wollte, habe ich ihn im Gras wieder entdeckt. Sicherlich ist das keine große Sache, aber doch sehr beruhigend.

Wenn ich mir den praktischen Wert all dieser Änderungen vor Augen führe, finde ich den Aufpreis von 750 Euro sehr günstig. Die Frage, welche Kamera nun besser ist und ob sich der Aufpreis lohnt, stellt sich für mich deshalb überhaupt nicht. Die Leica M10-P ist schlicht die bessere M10. Sie ist genauso schlicht und zuverlässig, an entscheidender Stelle aber deutlich verbessert.

Ach so, ja, die Sache mit dem roten Punkt. Er fehlt überhaupt nicht. 

Einen Bericht über die Leica M10 gibt es hier.

Falk Grundschok (instagram: citynightman)