Leica SL 75mm 2.0 APO Summicron 11178

Erfahrungsbericht – Test – Review

von Norbert Windecker

Leica SL + SL 75mm 2.0 Summicron

Von der Leica Camera AG in Wetzlar bekam ich die Gelegenheit das Leica SL 75mm 2.0 APO Summicron vor der Veröffentlichung zu testen. Niemand hat mir vorgeschrieben, dass ich etwas darüber schreiben oder gar was ich schreiben soll. Von daher kann man diese Einschätzung von mir als unabhängig und persönlich einstufen. Nicht leugnen kann ich aber, das ich schon immer von Leica Produkten überzeugt und fasziniert bin und oft positiv darüber berichte. Ich lasse es mir aber auch nicht nehmen kritische Dinge darüber zu schreiben, wenn ich es so empfinde. Im übrigen bekomme ich kein Geld von Leica um die Dinge zu testen. Auch gehen alle Testobjektive immer wieder zurück nach Wetzlar.

Leica SL 50mm 1.4 ASPH. Summilux vs. Leica SL 75mm 2.0 Summicron

Leica SL 50mm 1.4 ASPH. Summilux vs. Leica SL 75mm 2.0 Summicron

Leica SL 50mm 1.4 ASPH. Summilux vs. Leica SL 75mm 2.0 Summicron

Größenvergleich: Leica SL 50mm 1.4 ASPH. Summilux vs. Leica SL 75mm 2.0 Summicron

Für das SL 75mm 2.0 APO Summicron hatte ich leider nur knapp 3 Wochen Zeit. Genau genommen über Weihnachten 2017. Das mir vorliegende Objektiv, war schon ein Release Candidate. Also ein Objektiv was praktisch schon fertig entwickelt ist und nur auf die Serienproduktion wartet. Das Objektiv fühlt sich genauso an wie alle bisherigen SL Objektive. Alles sehr geschmeidig mit minimalen Spaltmaßen und schönem Finish. Der Fokusring fühlte sich ein wenig straffer an als die bisherigen SL Objektive, aber das ist kein Nachteil.

Größenvergleich: Leica M 35mm 1.4 FLE vs. Leica SL 75mm 2.0 Summicron

Größenvergleich: Leica M 35mm 1.4 FLE vs. Leica SL 75mm 2.0 Summicron

Besonders interessiert mich bei Objektiven aber was sie leisten. Wie sie abbilden und was wirklich hinten als Datei/Bild herauskommt. Ich sage ja schon lange, was M Fotografen nicht hören möchten. Die M Objektive sind ohne Zweifel alle toll und sehr kompakt. Aber was die reine Abbildungsqualität betrifft, spielen für mich die SL Objektive in einer anderen Liga. Ich besaß und besitze immer noch M Objektive und möchte sie nicht missen, aber aus meiner jetzigen Erfahrung und Vergleichen heraus, kann ich nur sagen, dass die SL Objektive alles bisherige in den Schatten stellen. Das klingt drastisch, ist aber so. Leica wird das im Marketing nicht groß vermarkten dazu ist die M Fangemeinde zu groß und ein zu wichtiger Umsatzbringer für Leica. Ein wenig Schade finde ich es schon, denn die SL hat sicherlich eine deutlich größere Bekanntheit verdient. Leider findet man auch keinerlei Objektivtests, von den großen Testseiten im Internet. Hier würde man deutlich sehen wo der Hammer hängt.

Leica SL + SL 75mm 2.0 Summicron mit angesetzter Sonnenblende

Leica SL + SL 75mm 2.0 Summicron mit angesetzter Sonnenblende

Immer wenn ich die Gelegenheit habe, vergleiche ich mal mit Nikon oder Canon, aber eben alles nur recht einfach. Aber die Ergebnisse sind deutlich für jeden erkennbar. Und ich bleibe dabei. Wenn mehr Leute wirklich mal eine SL System verwenden könnten, dann würden viele anders über Leica denken. In der aktuellen Wahrnehmung im Internet und in den Medien wird Leica gerne als überteuertes Luxusprodukt hingestellt. Aber wer mal ein paar Wochen mit der Leica SL fotografiert und deren Objektive fotografiert hat, der weiß das Leica ganz weit oben mitspielt und fast schon ein Alleinstellungsmerkmal hat. Die Messlatte für das SL 75mm 2.0 APO lag schon sehr hoch, bevor es überhaupt erhältlich war. Zum einen wurde in Interviews von Herrn Karbe zur letzten Photokina deutlich gesagt, dass hier etwas Besonderes kommen soll. Eine kleine Revolution im Objektivbau. Er sprach davon, dass man Blende 2.0 Objektive bauen möchte, die aber den Look eines Blende 1,4 haben sollen.

Auch war ein Ziel endlich kleinere SL Objektive zu bauen. Was die reine Größe betrifft, ist das Leica auf jeden Fall gelungen. Das SL 75mm 2.0 ist wirklich handlich und im Vergleich zu den bisherigen SL Objektiven fast schon klein. Zusammen mit der SL hat man fast schon eine kleine Sony mit einem kompakten Objektiv in der Hand. Viel Kleiner und handlicher als jede Spiegelreflex. Da ist sie, die kompakte SL mit passenden Objektiven.

Optische Eigenschaften

Mit solchen Objektiven wird es für Objektivtester langweilig. Was macht man wenn man etwas testen soll und nichts Negatives finden kann? Langweilig. Am besten einfach benutzen, keine Gedanken mehr über die Technik machen und sich nachher über tolle Fotos freuen.
 Das Leica SL 75mm 2.0 APO liefert bei Blende 2.0 ein perfektes Bild bis in die Ecken. Nicht nur was die Schärfe betrifft, sondern auch was Kontrast, Vignettierung, Farbsäume betrifft. Man kann noch so suchen, man wird nichts finden. Mir ging es zumindest so. Doch etwas gibt es. Die Vignettierung bei Blende 2.0 ist minimal sichtbar. Aber eigentlich nicht der Redewert, da man es problemlos entfernen kann. Ich habe Blendenreihen gemacht und keinerlei Verbesserung beim Abblenden feststellen können. Bei Blende 16 und 22 ist die Beugungsunschärfe langsam sichtbar. Aber ansonsten liefert das SL 75mm 2.0 bei allen Blenden eine unfassbar gute Abbildungsleistung. Farbsäume sind mir bei keinem der Bilder, auch bei 200% Ansichten, sichtbar geworden. Und hier habe ich das SL 75mm 2.0 wirklich auch extrem gefordert. Siehe das Bild mit der Sonne im Kran. Das APO in der Objektivbezeichnung ist also voll gerechtfertigt und liefert allerbeste Korrektur. Was das Bokeh und den Blende 1,4 Effekt betrifft, bin ich mir noch etwas unsicher. Ich konnte es leider nur mit einem dem Nikon AF-S 85/1,8 vergleichen. Hier spielt sicherlich schon die 10 mm mehr Brennweite eine Rolle. Was mir aber aufgefallen ist, das vor und hinter der Schärfeebene alles ziemlich schnell weich wird. Aufgefallen ist mir es besonders deutlich bei Porträts. Man muss das kleine Fokusmessfeld der SL nehmen um die Pupille zu erwischen. Ansonsten trifft man nur die Wimpern und die Pupillen sind schon unscharf. Das die Nase bei solchen Objektiven unscharf ist, ist mir natürlich bekannt. Aber das schon das Kinn unscharf ist, das war für mich neu. Die Schärfe vor und hinter der Ebene scheint schnell ins Unscharfe abzugleiten und einen besonderen Look erzeugen. Leider kann ich das nicht anderes beschreiben oder vergleichen. Dazu müsste ich ein vergleichbares Objektiv (z.B. Apo Summicron M 75) haben. Vielleicht wird es einfacher mit dem Summicron 90 mm.
Das Bokeh ist schön weich und gleichmäßig. Gerade im Nachbereich (das SL 75mm 2.0 stellt ab 0,50 Meter scharf) verschwimmt der Hintergrund ins nicht mehr erkennbare. Die Unschärfe ist cremig und nicht kantig oder eckig. Alles in allem ein sauberes Bokeh. Ohne vielleicht besonders gut oder besonders schlecht zu sein. Einfach nur schön. Was mir aber im Alltag bei den Porträts wichtig ist, ist die geringe Tiefenschärfe. Hier finde ich es gerade auch bei dem SL 50mm 1.4 Summilux toll, wie man die Augen scharf stellt und alles andere weich wird. Natürlich kann das jedes 50mm 1.4 mehr oder weniger gut, aber bei Offenblende so eine deutlich Schärfe/Kontrast und Abbildungsleistung  zu generieren, das macht es besonders. Und gerade dann fallen dem Betrachter des Bildes z.B. Augen des Porträtierten viel plastischer ins Auge als bei anderen Objektiven. Und genau das kann auch das SL 75mm 2.0 APO und das SL 90mm 2.0 wird es noch besser können. Die plastische Darstellung der Objektive und das was Herr Karbe damit vor hat, geht ganz klar in die Richtung Mittelformat Qualität. Da das digital Mittelformat ja gar nicht soviel größer ist als das Kleinbild, wird hier die Lücke immer kleiner. Genauso wie vom Cropsensor zum Kleinbild. In allen Bereichen hat sich viel getan in den letzten Jahren und die Grenzen verschwimmen. Und genau hier schraubt Leica gerade die Messlatte für das Kleinbildformat nach oben. Geisterbilder, Überstrahlungen und Reflexe / Flares sind nur sehr schwer zu erzeugen und wirklich gut im Griff. Wer also auf so was bei Porträts steht, darf sich das SL 75mm 2.0 nicht kaufen. Mir persönlich gefällt es gut wenn der Kontrast bei starken Gegenlichtaufnahmen durch Flares nicht zu stark reduziert wird. Beeindrucken fand ich, das z.B. der Kontrast und die Schärfe in Augen erstaunlich gut erhalten bleibt, obwohl die Sonne direkt im Bild neben dem Kopf des Models vorbeischeint. Oftmals bleibt nicht mehr viel übrig. Nicht so beim SL 75mm 2.0 APO Summicron.
Und gleich noch etwas hypothetisches. Was das SL 75mm 2.0 Apo Summicron bis in die Ecken leistet ist phänomenal. Man hat tatsächlich das Gefühl das das SL 75mm 2.0 an 24 Millionen Pixel fast schon unterfordert ist und noch viel Luft nach oben hat. Wenn Leica hier mal eine 45 Millionen Pixel Kamera bringt, dann wird das SL System mit den Objektiven zu einer fast unschlagbaren Waffe. Spätestens dann können sich die Mitbewerber warm anziehen. Denn schon heute fehlen meiner Meinung viel zu viele Objektive auf dem Markt die für Kameras ab 36 Millionen Pixel überhaupt geeignet sind. Wenn man nur mal schaut was Nikon und Canon in dem Bereich geliefert hat, dann ist es nur traurig. Auch wenn Sigma mittlerweile tolle Objektive zu einem guten Preis liefern, so sparen sie doch deutlich an der Qualitätskontrolle. Man überlässt die Feinjustierung einfach den Kunden. So etwas gibt es bei Leica nicht, und dass hat eben seinen Preis.

Autofokus

Was viele vermutlich brennend interessiert ist das Thema Autofokus. Das SL 50mm 1.4 Summilux steht zurecht in der Kritik einen langsamen Autofokus zu haben. Leica hat schon beim SL 24-90mm bewiesen, dass es schneller geht. Spannend war natürlich wie sich das SL 75mm 2.0 APO Summicron verhält. Aufjedenfall ist der Autofokus sehr gut und deutlich schneller als der vom SL 50mm 1.4. Man kann ihn sogar für normale Verfolgungen (AFc) nutzen. Der AF ist schnell, präzise und funktioniert klaglos. Wie schon geschrieben muss man oft das kleine AF Feld nehmen, da man sonst nicht präzise scharf stellt. Scharfstellen wird trotz aller Hilfen (Fokuspeaking, verschiedener Messfelder und AF) zu einer Herausforderungen. Um bei Porträts wirklich die Pupille scharf zu stellen und nicht die Wimpern, ist einige Übung notwendig. Schließlich bewegt sich der Fotograf und das Model geringfügig. Um wirklich perfekt scharfe Bilder mit dem Objektiv zu erzeugen muss man alle Regeln der Kunst drauf haben. Kurze Belichtungszeiten (1/125 sec. Reicht nicht immer), ruhig stehen, AF Messfeld perfekt platzieren und mehrere Bilder hintereinander machen.

Dieser Punkt zeigt deutlich auf, auf was für einem hohen Niveau die digitale Fotografie und die Optiken mittlerweile sind. Umso besser alles wird, umso so mehr Mühe muss man sich geben das Maximum herauszuholen. Vermutlich wird die Herausforderung des scharfen Bildes mit dem SL APO Summicron 90mm 2.0 dann noch größer. Ich bin gespannt und würde mich gerne der Herausforderungen stellen, da ich den Look bei Offenblende sehr mag. Die Pupillen sollen scharf sein, der Rest darf unscharf sein. Alles in allem ist der AF sehr zeitgemäß und gut. Im direkten Vergleich mit der Nikon D4 und dem AF-S 85mm 1,8 von Nikon, war der AF bei Leica viel leiser und praktisch genauso schnell. Vielleicht sogar manchmal treffsicherer, da der Kontrast AF präziser arbeitet. Gerade in den etwas äußeren Messfeldern. Hier wurde mir auch wieder deutlich das ich auf einen digitalen Sucher nicht mehr verzichten möchte. Bei der Nikon wollte ich irgendwie immer reinzoomen, ging aber nicht. Im übrigen habe ich auch die Gesichtserkennung beim AF mit ausprobiert. Sie funktioniert prinzipiell ganz gut. Das Gesicht wird erkannt und die Augen werden scharf gestellt. Aber was wird an den Augen scharf gestellt. Oftmals leider nur die Wimpern und nicht die Pupillen. Hier wäre es kameraseitig schön, wenn sich da in Zukunft noch etwas tut.

Bildausgabe

Alle Bilder habe ich als Screenshot von einem 4K Monitor erzeugt. Die Vergrößerungsansicht ist nicht wie üblich eine 100% Ansicht, sondern eine 200% Ansicht. Seit ich alles auf einem 4K Monitor anschaue, erkenne ich die Schärfe besser bei 200%. Es klingt verrückt und ganz schlimm nach Pixelpeeperei, aber so kann ich ganz gut erkennen wie die Qualität ist. Oftmals geht auch 300% in der Ansicht noch gut. Unglaublich aber wahr. Natürlich ist es wie mit allem. Bessere Sensoren, bessere Objektive und bessere Monitore treiben die Qualität in immer höhere Sphären und man beschäftigt sich irgendwann mit Bildfehlern die früher so nicht existierten. Man fragt sich schon wohin soll das alles führen. Im Endeffekt bleibt immer noch das Bild, dessen Aussagekraft und Wirkung auf den Betrachter. Stimmt alles das, ist es egal mit was es gemacht wurde. Und doch ist für mich gerade das die Faszination der Fotografie. Aussagekräftige Bilder gepaart mit einer technischen und optischen Perfektion.