Mit der Leica Monochrom durch den Westen der USA – von Thomas Haensgen

Oh je. Ich habe zugesagt, einen Bericht über die Leica Monochrom zu verfassen, die mir freundlicherweise von Alexander Görlitz im zuge der Monochrom auf Reisen für meinen Roadtrip durch die Nationalparks im Westen der USA zur Verfügung gestellt wurde. Dabei will ich eigentlich nur eins: das Teil schnappen und fotografieren. Aber gut, dann halte ich die Gedanken, die ich mir eh mache, halt fest. Da liegt sie also vor mir. Die Monochrom. Daneben meine geliebte Leica M9. 

Äußerlich sehen beide ziemlich identisch aus. Fühlen sich auch identisch an. Beide liegen angenehm in der Hand. Da wollen sie auch hin. Und vors Auge geführt werden. Geht aber immer nur mit einer. Ich nehme die Monochrom. Klick-surrr (Ich liebe diesen Sound, selbst wenn die Bilder anschließend nichts werden sollten – dieses kleine akustische Erlebnis alleine ist schon ein Grund, den Auslöser zu drücken). Der Blick auf das Display zeigt mir den ersten gravierenden Unterschied zur M9: die Darstellung auf dem Display ist so, wie sie sein sollte. Wenn es ein Manko gibt an der M9, dann ist es die verfluchte Darstellung der Bilder auf dem Display. 

 

Jedes Mal, wenn ich ein Bild auf der M9 mache, möchte ich es am liebsten gleich wieder löschen (was ich allerdings nicht mache, zum Glück, denn auf dem Monitor am Rechner kommt ja dann doch etwas anderes zum Vorschein, was der Bildschirm nicht hergibt).  Diese Überraschung entfällt bei der Monochrom. Hier bekommt man verkleinert das zu sehen, was man auch später am Rechner sieht. Glasklar. Und einwandfrei abgebildet. Nur ohne Farben. Okay, ist halt die Monochrom. Und die wird jetzt mein Reisebegleiter für die nächsten Wochen. 

Ebenso wie die Frage: ist das eine kluge Entscheidung? Ich starte in Vegas, fahre ins Valley of Fire, nach Zion, Bryce, ins Monument Valley, zum Grand Canyon, Joshua Tree, Los Angeles und komme via Death Valley zurück nach Vegas. Vor meinem geistigen Auge sehe ich vor allem eines: Farben. Und dahin nehm‘ ich die Monochrom mit!? Okay, zur Sicherheit habe ich ja auch die M9 im Gepäck. 

Raus aus dem Flieger, rein ins Abenteuer…

20 Stunden später im Valley of Fire kommt auch schon die erste Antwort auf die Frage. Und eine erste grandiose Stärke der monochrom: es ist 20 Uhr. Und eigentlich schon zu spät zum Fotografieren. Die Sonne ist komplett hinter den Bergen verschwunden. Und trotzdem: die Bilder in der Dämmerung sehen fantastisch aus. Ich prügle die ISO hoch auf 5.000 – und fall um vor Ungläubigkeit. Wo ist das Rauschen? Etwa das bisschen Körnigkeit? Was mich ein wenig an meine analogen Aufnahmen erinnert? Geil. Trotzdem vertage ich meinen Wunsch, noch mehr zu fotografieren auf den nächsten Tag. 

 

Der um kurz nach vier – Jetlag sei Dank – beginnt. Den Sonnenaufgang überlasse ich der M9. Und mein Bauch sagt mir, ihr auch die erste Wanderung am Morgen zu überlassen. Mach ich aber nicht. Zum Glück: denn so wird mir erst klar, wieviel Struktur sich hier in der Wüste, an den massiven Felswänden und überhaupt in der Natur finden lässt. Und wieviel Detail sich davon auf den Sensor der Monochrom bringen lässt. Ist die M9 schon ein präzises Arbeitstier, so übertrifft die Monochrom sie nochmal in ihrer Schärfe und Detailversessenheit. 

Selbst die Bilder mit kleiner Blende wirken unglaublich fein. Ist die M9 ein Skalpell, dann ist die Monochrom der Laser Cutter. Ich fotografiere abwechselnd mit beiden Kameras. Meine Kinder, die mich begleiten, die Landschaft, abstrakte Formen, Eidechsen, die die Morgensonne zum Aufwärmen suchen… und ich lerne: auch wenn sich beide Kameras ähneln, erfordern Sie bei der Komposition doch ein völlig anderes herangehen. 

Farbe vs. Monochrom

Auch wenn sich im Laufe der kommenden Wochen die Landschaften ändern, dieser Eindruck bleibt: die Monochrom fordert einen deutlich mehr beim Fotografieren. Sie verlangt eine ganz andere Auseinandersetzung mit der Materie vor einem als die m9 – belohnt aber dafür mit einer zusätzlichen Perspektive auf die Welt, wie sie vor einem liegt. 

Überall da, wo Farbe das entscheidende Element in der Komposition ist, kann ich die Monochrom schön in Ihrer Tasche lassen. Ob im Antelope Canyon, der zwar an Formen einiges zu bieten hat – aber letztendlich durch die von oben hereinscheinende Sonne und die daraus entstehenden Farb- und Lichtspiele begeistert, der Bryce Canyon Nationalpark, dessen surreal anmutende orange-rote Steinformationen einfach in Farbe eingefangen werden müssen oder die vielen Sonnenuntergänge und -aufgänge, die, ach nee, eigentlich gar nicht fotografiert werden müssen.

Wenn es hingegen um Emotionen geht (zum Beispiel die meiner Kinder, wenn es schon wieder auf eine Wanderung geht, statt einfach mal mit dem Handy in der Hand den Tag über am Pool zu liegen),

wenn Kontraste sich vor einem auftuen – ob grandiose Wolken, Felsen- oder Las Vegas-Lichterwände – wenn die blaue Stunde sich verabschiedet hat, wenn es um funzelige Details geht – dann zeigt die Monochrom, was in ihr steckt.

3.000 Meilen später

Beim Sichten und Bearbeiten zuhause fällt dies um so deutlicher auf: die Bilder der M9 geben das wieder, was man in Erinnerung hat. Die Bilder der Monochrom hingegen zeigen eine ästhetisierte und reduziertere Variante dieser Wirklichkeit. Was man auch in der Bearbeitung an sich merkt. Kein RGB-Kanal, an dem man drehen kann. Was es schneller macht. Aber auch hier ein Umdenken erfordert. 

Mein Fazit: wer sich der Fotografie verschrieben hat, sollte die Monochrom zumindest mal leihweise ausprobieren. Mich hat sie in ihren Bann gezogen. Mir hat sie gezeigt, dass es noch viel ‚neu‘ zu sehen gibt. Für den, der nur schnell ein paar Schnappschüsse machen will, der Momente als Erinnerung festhalten will, ist vielleicht mit der M9 (oder einer anderen Nicht-monochromen Kamera) besser bedient. Aber wer sich der Herausforderung stellen will, die Welt nicht nur zu sehen, sondern zu ergründen, für den gibt es kein besseres Tool, dieser Leidenschaft nachzugehen.